Fürchtet euch nicht!
An Heiligabend in der Nacht liest die Kirche aus dem Lukasevangelium laut:
„In dieser Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat ein Engel des Herrn zu ihnen und die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie und sie fürchteten sich sehr. Der Engel sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr. Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt. Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens.“ (Lk 2,8-14)
Wie oft habe ich im Laufe meines Lebens schon Weihnachten gefeiert?
Da fallen mir die Jahre der unbeschwerten Kindheit ein. Ich denke an die Jahre zurück, als ich Weihnachten als selbstverständlich und als ein stilles Fest betrachtete. Da waren die Jahre der Jugend, die von Skepsis und Selbstsicherheit geprägt waren. In den Sinn kommen mir aber auch diejenigen Jahre, die großen Veränderungen mit sich brachten. Jahre des Neuanfangs, das erste Weihnachten in meinem Dienst, abseits meines engsten Familienkreises, aber auch Jahre nach dem Tod von Menschen, die mir nahe stehen. Diese Zeiten kommen mir sofort in den Sinn. Sie haben sich bei mir tief eingeprägt. Jedes Jahr war es anders.
Vielleicht sind Ihre vergangen Jahre, die Jahrzehnte, in denen Sie sich auf der „äußeren Kurve“ befanden, Jahre, in denen Ihnen Ihr Glaube wenig oder vielleicht gar nichts bedeutete, und deshalb haben sie diesem Feiertag kaum Beachtung geschenkt. Das alles können wir zum heutigen Fest mitnehmen. Niemand von uns soll den Kopf einziehen oder sich gar mit schlechtem Gewissen davon schleichen. Vielleicht spüren wir gerade in solchen Situationen den Kern des Weihnachtsfestes.
An Heiligabend in der Nacht finden wir uns zu einer ganz besondere Zeit zusammen. In tiefster Dunkelheit feiern wir dieses Fest. In unserem Land gibt die Weihe-Nacht dem gesamten Tag und der Feiertagszeit den Namen: Weihnachten. Es sind die Nächte, die oft das Geheimnis des Festes verbergen.
Mitten in der Nacht ist es ermutigend, die Engel sagen zu hören: „Fürchtet euch nicht!” Die Hirten und gleichermaßen jede und jeder von uns sind angesprochen. „Fürchtet euch nicht! Ich verkünde euch eine große Freude.” Das ganze Volk soll von dieser Botschaft ergriffen werden: Der Retter, der Heilbringer ist uns geboren. Gott gelte die Ehre in den Höhen! Lassen Sie die Brände der Krise nach und nach auf der betroffene Erde löschen, damit die Menschen in Frieden zusammenleben können. Gottes Gnade erstreckt sich auf jeden von uns. Wir haben sein Wohlgefallen gefunden.
Das ist die Zusage von Weihnachten, auch von Weihnachten 2023. Wir sind in Gottes Huld. Das Angebot seiner Freundschaft gilt uns. Keine quälende Angst soll uns mehr verunsichern, nichts wert zu sein und nichts zu gelten.
Ein Weihnachtslied drückt dies wunderbar aus:
„Ich lag in tiefster Todesnacht,
du warest meine Sonne,
die Sonne, die mir zugebracht
Licht, Leben, Freud und Wonne.
O Sonne, die das werte Licht
des Glaubens in mir zugericht,
wie schön sind deine Strahlen”. (GL 256,3)